
Hanteltraining
Dürfen Sie das?
Ob Sie mit Hanteln auf diese Weise trainieren dürfen oder nicht, hängt von Ihrem Gesundheitszustand ab. Falls Sie Herzprobleme haben, fragen Sie Ihren Kardiologen, falls Sie Osteoporose oder irgendwelches einoperiertes Eisenzeug in der Wirbelsäule haben, fragen Sie Ihren Orthopäden. Oder wenn Sie irgend etwas anderes Gefährliches haben, fragen Sie denjenigen, der dafür zuständig ist, wer auch immer das sein mag.
Falls Sie diese Übungen machen, die hier beschrieben werden, und dabei einen schweren Schaden erleiden, etwa einen Schlaganfall, einen Wirbelbruch, einen Herzinfarkt oder irgend etwas anderes, dann ist es Ihre eigene Schuld. Ich hafte für gar nichts. Ich beschreibe eine Trainingstechnik, die von anderen Leuten erfunden worden ist, und die für gewisse Personen geeignet ist und für gewisse andere nicht.
Hingabe
Um Ergebnisse aus Hanteltraining zu bekommen, ist es wichtig, sich an irgendein System zu halten. Dieses System muss nicht nur 3 Wochen oder 3 Monate durchgehalten werden, sondern besser 3 Jahre oder noch besser: 30 Jahre oder länger.
Leute, die ständig irgend etwas anfangen, aber nie etwas fertig bringen, brauchen mit Hanteltraining gar nicht anfangen. Vergessen Sie es. Die medizinischen Ergebnisse stellen sich sehr langsam ein und erst nach langer hingebungsvoller Übung das ganze Jahr um.
Power to the People
Für das hier beschriebene Hanteltraining wird das Buch "Power to the People" von Pavel Tsatsouline benutzt. Es wird empfohlen, dieses Buch zu kaufen und es sehr sorgfältig zu studieren.
Es stimmt zwar, dass es ein Buch für Amerikaner ist, und dass es deswegen sehr dünn ist, große Buchstaben hat und ganz viele Bilder. Bücher für Deutsche sind ja oft Bibeln auf Zigarettenpapier. Aber Pavel Tsatsouline schreibt in Telegrammstil. Jedes Wort hat also Bedeutung. Und bevor man alles Wissen in diesem Buch auch tatsächlich ins Gehirn übertragen hat, muss man das Buch nicht nur ein paarmal lesen, sondern es muss immer wieder gründlich studiert werden. Und selbst dann wird man vielleicht wichtige Einzelheiten vermissen. Deshalb gebe ich einige Bemerkungen zu diesem Buch ab.
"Power to the People" ist nicht nur ein Lied von John Lennon und eine Schallplatte von Joe Henderson. Es ist auch ein Schlagwort, das in verschiedenen politischen Zusammenhängen benutzt worden ist. In diesem Sinne übersetzt bedeutet es "Dem Volk die Macht". Für die jungen Leser unter uns, die gewisse Entwicklungen nicht miterlebt haben, nur mal ein kurzer historischer Rückblick.
In Frankreich hatte das Volk in 1789 die Nase voll und machte die Französische Revolution um endlich das Feudalsystem mit Leibeigenschaft, Frondienst, Hunger und Armut los zu werden. Sie enthauptete den König und alle Adelsleute, die sie erwischen konnten und erklärten Frankreich zu einer Republik.
Später dachten die deutschen Denker Karl Marx und Friedrich Engels über das kapitalistische System nach und meinten, es genüge nicht, nur König und Adel zu enthaupten, wie man in Frankreich getan hatte, sondern man müsse bei einer Revolution auch gleich das gesamte wirtschaftliche System neu ordnen. Erde, Fabriken, kurzum alle Betriebsmittel müssten dem Volk gehören und nicht irgendwelchen Eigentümern.
In Russland wurde dann unter der Führung von Lenin die Russische Revolution durchgeführt, die etwas anders aussah als die französische, da sie nun auf den Gedanken von Marx ausgerichtet war. Es erfolgte eine Neuordnung nach dem System des Kommunismus. Fabriken gehörten nicht mehr Unternehmern, sondern waren Volkseigene Betriebe und man redete sich gegenseitig nicht mit Herr oder Frau, sondern mit Genosse an. Alle sollten die gleichen Rechte haben und wie der Ausdruck Power to the People erahnen lässt, war der neu ausgerichtete Staat, die Sowjetunion nicht nur eine Republik, sondern gleich eine Volksrepublik, die dem Volk gehörte.
Der Schriftsteller dieses Buches, Pavel Tsatsouline, ist in der Sowjetunion geboren, ist dort zu Schule gegangen, hat dort Sport studiert und wurde im Militär Trainer für die Spezialeinheiten Speznas. Nach dem Fall der Sowjetunion wanderte er nach USA aus und unterrichtet dort Sport, unter anderem Krafttraining.
Der Titel "Power to the People" ist zweideutig. Erstens ist es eine Anspielung auf seine kommunistische Herkunft, zweitens ist es der eigentliche Sinn und Zweck des Buches, nämlich "Power" im Sinne von "Stärke" oder "Kraft" für das Volk, also für Otto Normalverbraucher. Man könnte also den Titel in "Krafttraining für Jedermann" übersetzen.
Und "Kraft für Jedermann" ist auch wirklich eine Aufgabe für sich. Es ist der Versuch, ein Trainingssystem zu entwerfen, das
- Fast nichts kostet (die Ausstattung mit Hantelstange, Gewichten, Autoreifen und Sperrholzplatte ist für 100-200 Euro einmal im Leben zu haben und kann später den Urenkeln vererbt werden, da die Gußeisernteile nie kaputt gehen).
- Sehr einfach zu lernen ist
- Sehr geringes Risiko für Verletzungen birgt
- Ohne Änderungen ein Leben lang fortgesetzt werden kann
- Man in jedem Alter benutzen kann
Jetzt mögen Sie sagen: Da wären doch schon andere Programme als gerade "Power to the People" möglich. Und Pavel ist doch sicher nicht der einzige in der Welt, der eine Universallösung erfunden hat. Das mag sein. Es gibt auch eine zweite Lösung. Die ist übrigens auch von Pavel, und die werde ich in einem späteren Artikel beschreiben. Aber mir ist persönlich nicht bekannt, dass jemand ein Trainingsprogramm mit der obigen Zielsetzung entworfen hat. Programme gibt es zu tausende - Programme für dickere Arme, für breitere Schultern, für höhere Gewichte beim Bankdrücken, für dies und für das. Aber ein "einfaches Programm für das Volk", das habe ich noch nirgendwo gesehen. Ich lasse mich aber gerne belehren, wenn einer eins kennt, dann bloß her damit.
Diese Aufgabe nimmt Pavel aber wirklich sehr ernst. Er ist ganz und gar nicht der Meinung, dass man um gutes Training zu machen, teure Fitnessstudios mit Geräten für hunderttausende Euro und hoch ausgebildete Trainer braucht. In Russland (also in der Sowjetunion) hat man sehr gute Ergebnisse mit außerordentlich einfachen Mitteln erreicht, und zwar deswegen, weil die Systematik der Datensammlung und der Forschung im Kommunismus sehr effektiv war.
Er macht sich im Buch mehrmals über die abstrusen Auswüchse in der westlichen Literatur und im kapitalistischen Fitnessmarkt lustig und streut hier und da humoristische Ausdrücke aus der kommunistischen Ära ein, wie "die Partei hat immer Recht" oder "wenn du ein fleischiger Genosse werden willst, dann..." Dieses ist aber, wie gesagt, humoristisch gemeint. Der russische Kommunismus ist weg und kommt nicht wieder, und die Deutschen, die in der DDR gelebt haben, haben selten Sehnsucht nach dem kommunistischen System. Obwohl sie durchaus zugeben müssen, dass manche Dinge besser gelöst waren, als sie im kapitalistischen System sind. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das System, das in "Power to the People" vorgestellt wird, ist so einfach, dass die Leute überall in der Welt unzählige Änderungen dazu gemacht haben, weil niemand es wahr haben will, dass man jahrelang nach einem so einfachen System trainieren kann und tatsächlich einen Nutzen davon haben.
Auf den folgenden Seiten beschreibe ich das System. Am besten ist es, das Buch selbst zu kaufen und lesen. Was ich hier schreibe, sind nur Bemerkungen zum Buch, keine Übersetzung. Ich empfehle, Vertrauen zum Schriftsteller zu haben und genau das zu tun, was er beschreibt.
Hantel und Boden
Zu der Ausstattung gehört eine Langhantel und einige Gewichte. Das sind die Dinge, die beim Training gehoben werden sollen.
Damit sie nicht den Boden beschädigen, empfiehlt er, eine Ecke in irgend einem Raum für das Training mit dem Langhantel zu reservieren. Man braucht dafür 2 Quadratmeter. Die klassische Lösung ist eine Sperrholzplatte, 2x1 m, die auf 6 Autoreifen gelegt wird. Darauf wird an beiden Langseiten jeweils ein Kantholz befestigt, sodass der Langhantel, wenn er herunterfällt und rollt, höchstens bis zur Kante rollen kann und nicht weiter.
Ich persönlich habe ein 2x1 m OSB-Platte, die auf einer Unterlage auf Styropor liegt. Das tut genau das gleiche. Es geht nur darum, dass wenn man eine 150 kg Langhantel fallen lässt, dass dieser nicht gleich den ganzen Boden kaputt macht.
Man kann darüber streiten, wie groß das kleinste Gewicht sein soll. Ich schlage vor, für den Anfang folgende Gewichte zu besorgen:
- 10x 0,5 kg
- 4x 2,5 kg
- 4x 5 kg
- 4x 10 kg
- 2x 25 kg
Man kann ja später mehr kaufen.
Bekleidung und Ausrüstung
Die hier beschriebenen Übungen werden ohne
- Nierengurt
- Handschuhe
- Schuhe
- Armbänder
und ohne jegliche andere Hilfsmittel gemacht.
Sie können sich nackt ausziehen oder in Unterhose trainieren, oder in einer kurzen oder langen Hose mit oder ohne T-Shirt. Aber trainieren Sie barfuß und ohne Handschuhe.
Spiegel im Trainingsraum sind nicht ratsam.
Übungen
Nach diesem Buch werden zwei Übungen gemacht:
- Ziehen
- Drücken
Kreuzheben
Was das Ziehen anbelangt, ist die Übung hier das Kreuzheben. Diese wird im Buch sehr genau beschrieben. Wenn jemand in Zweifel ist, wie Kreuzheben richtig ausgeführt wird, muss er sich einen Lehrer besorgen oder einige der überaus zahlreichen Videos in YouTube anschauen.
Es gibt eigentlich nicht viel mehr über Kreuzheben zu erzählen. Wenn man einmal herausgefunden hat, wie es geht, ist es eine einfache Übung.
Schulterdrücken
Was das Drücken angeht, geht es im Buch einerseits um Schulterdrücken, andererseits um Bankdrücken.
Lassen Sie es sich gleich gesagt sein: Für den medizinischen Bereich ist ausschließlich Schulterdrücken gewünscht.
Bankdrücken ist etwas für Bodybuilder und Gewichtheber. Diese Übung macht andere Leute meistens mehr krank als gesund. Bankdrücken wurde auch nicht erfunden um kranke Leute gesund zu machen, sondern um Bankdrücken als Sport zu betreiben und um große Brustmuskeln zu bilden. Für Männer, die auf Brüste stehen, eine hervorragende Übung.
Das Schulterdrücken gibt es in zwei Ausführungen: Einhändig und Beidhändig. Das beidhändige Schulterdrücken ist auch als "Military Press" bekannt. Es ist eine sehr beliebte Übung, die sehr gut trainierbar ist und meistens in kurzer Zeit große Erfolge bewirkt. Diese Übung ist für den medizinischen Bereich allerdings überhaupt nicht interessant. Im medizinischen Bereich interessiert uns nicht so sehr, ob die Muskeln groß sind, oder ob man 20 kg, 40 kg oder gar 100 kg heben kann, sondern es interessiert uns, dass man keine Nackenschmerzen, Schulterschmerzen, Rückenschmerzen, Ischias und ähnliche Schmerzsyndrome hat.
Im Fitnessstudio sieht man öfters Leute, die Schulterdrücken beidhändig mit zwei Kurzhanteln machen, gerne im Sitzen. Für uns in diesem Programm ist es sehr wichtig, dass wir stehen und nicht sitzen, damit die gesamte rumpfstabilisierende Muskulatur arbeitet.
Interessant für uns im ärztlichen Bereich ist einzig und allein das einhändige Schulterdrücken.
- Beispiel 1
- Beispiel 2
- Beispiel 3 - sehr schön...
- Beispiel 4
- Beispiel 5
Nach diesen Videos müsste es klar sein, dass Schulterdrücken nicht einfach eine Übung für Mädchen mit pinkfarbigen Barbie-Hanteln, sondern eine zähe altmodische Übung, weiterhin einiges zu bieten hat.
Das einhändige Drücken zieht den ganzen Körper schief. Je mehr Gewicht und je häufiger es gehoben wird, desto schiefer zieht man sich dabei. Und wenn man darauf zur anderen Hand wechselt, zieht man alles wieder zurück ins gerade wieder. Dabei werden zahlreiche rumpfstabilisierende Muskeln benutzt, einschließlich Trapezius, Latissimus, alle 3 Schichten Bauchmuskeln, die seitlichen Rückenmuskeln, die Rippenmuskeln und so weiter. Dieses ist die Übung für den medizinischen Zweck.
Beladungstabelle
Da dieses Training mit einem Langhantel ausgeführt wird, braucht man eine Hantelstange. Es ist eine gute Idee, diese auf der Badewaage zu wiegen, zu sehen, wie schwer sie ist und sich dieses Gewicht merken.
Für die Beladungstabelle braucht man drei Zahlen:
- Das kleinste vorhandene Gewicht (mein Rat: Benutzen Sie 0,5 kg)
- Das Gewicht der Hantelstange (10 kg, 12 kg, 18 kg, was auch immer)
- Das kleinste Gewicht, mit dem Sie trainieren wollen
Haben Sie sich die Beladungstabelle heruntergeladen, können Sie sie in Google Sheets, in Microsoft Excel oder in Libre Office Calc öffnen und diese drei Kennzahlen eingeben ganz oben links.
Ein Tipp: Machen Sie eine Beladungstabelle für die Arme (zum Bespiel Mindestgewicht 14 kg), und eine für das Kreuzheben (zum Beispiel Mindestgewicht 60 kg).
Danach füllt sich die Tabelle mit Zahlen, die Sie nun ausdrucken können.
Wie die Beladungstabelle ganz genau benutzt werden soll, und wofür die einzelnen Zahlen stehen, werden in den folgenden Abschnitten erklärt.
Trainingseinheit
Eine Trainingseinheit sieht nach dem System Power To The People immer gleich aus.
- Erst kommt das Schulterdrücken
- Dann kommt das Kreuzheben
Es wird nie anders herum gemacht. Warum das so ist, können Sie an verschiedenen Stellen nachlesen.
In beiden Fällen, also beim Schulterdrücken genauso wie beim Kreuzheben, läuft es nach dem gleichen Schema ab.
Als allererstes wird entschieden, mit welchem Anfangsgewicht heute gearbeitet werden soll.
- Ein Satz zu 5 Wiederholungen mit dem Gewicht "1 Gesamt". Dieses Gewicht erzeugt man, indem man die Hantelstange rechts und links mit den Scheiben belädt, die unter "1 Scheiben" stehen.
- Pause von 3 vollen Minuten
- Ein Satz zu 5 Wiederholungen mit dem Gewicht "2 Gesamt". Dieses Gewicht erzeugt man, indem man die Hantelstange rechts und links mit den Scheiben belädt, die unter "2 Scheiben" stehen.
- Pause von 3 vollen Minuten
- Ein Satz zu 5 Wiederholungen mit dem Gewicht "3 Gesamt". Dieses Gewicht erzeugt man, indem man die Hantelstange rechts und links mit den Scheiben belädt, die unter "3 Scheiben" stehen.
- Ein Strich auf einer Strichliste mit einem Bleistift ziehen.
- Pause 60 Sekunden (laut Lehrbuch 30-90 Sekunden).
Schritt 5-7 werden nun so oft wiederholt, bis entweder die Hantel nicht mehr in "guter Form" gehoben werden kann - oder bis man 25 Sätze gemacht hat (dafür die Strichliste). Bei 25 ist Feierabend, auch wenn man mehr hätte heben können.
Schritt 1-4 sind die Hauptsätze, Schritt 5-7 die Folgesätze.
Wechselgriff
Sie müssen es nicht tun, Sie können es aber: Beim Kreuzheben die eine Hand vorwärts greifen zu lassen, während die andere rückwärts greift.
Wenn die Gewichte immer schwerer werden, kommen einige Leute in die Situation, dass die Griffkraft die Grenzen setzt und nicht die Körperkraft an sich.
Beim Wechselgriff rollt die Langhantel aus der einen Hand heraus und in die andere hinein, wenn das Unglück passiert. Manchmal kann man die Situation also so gerade noch retten.
Ein Satz besteht aus fünf Wiederholungen. Hat man bei der ersten Wiederholung den rechten Handrücken nach vorne und den linken hinten, dann kann man bei der zweiten Wiederholung beide Hände umdrehen und hat dann den linken Handrücken vorne und den rechten hinten.
Ob der Wechselgriff beim alltäglichen Training benutzt werden soll, wird in verschiedenen Internetforen und Büchern diskutiert. Ich will mich nicht darauf einlassen.
Entweder benutzen Sie den Wechselgriff oder auch nicht, es ist Ihre Sache.
Wie schnell?
Wie schnell Kreuzheben?
Meine Übersetzung von "Power to the People Seite 68":
Pavel zitiert zunächst Ken Hutchins: "Gehen Sie zu Ihrem Auto und heben es an... Fangen Sie an, die Kraft gleichmäßig einzusetzen. Steigern Sie Ihren Krafteinsatz über eine Dauer von 10 Sekunden oder so, und halten Sie den Höhepunkt noch einige weitere Sekunden, atmen Sie ruhig weiter, halten Sie den Höhepunkt noch einige weitere Sekunden, atmen Sie weiter, und verringern Sie dann langsam die Kraft indem Sie sich nach und nach entspannen.
Haben Sie Ihren Rücken verletzt? Nein... Aber wenn ich Ihnen gebeten hätte, einfach Ihren Wagen zu heben, ohne ausführliche Anweisungen und Ermahnungen, die Kraft langsam zu steigern und abzulassen? Dann hätten Sie üblicherweise hart angefasst und dem Widerstand einen Ruck verpasst. Und dieses Verhalten - nicht das Gewicht des Wagens - bewirkt den Schaden."
Danach schreibt er:
Drei bis fünf Sekunden auf dem Weg hoch und drei bis fünf Sekunden wieder herunter, das ist die Regel für "Power to the People". Wenn die Geschwindigkeit steigt, lässt die Muskelspannung nach. Und da wir Muskelspannung möchten, ist das widersinnig. Die Sportler mit den größten Muskeln sind die mit den langsamsten Ausführungen wie Gymnastik.
Dazu kommt, wie Sie vielleicht nicht erwarten würden, dass Sie mehr heben können, wenn Sie das langsam machen. Ballistisches Mogeln nützt nur bei leichten Barbie-und-Ken-Gewichten, die in einem Ruck hochgeworfen werden können. Mit der Mutter aller Gewichte geht das nicht. Sehen Sie einen Gewichtsheber, der 300 kg hebt. Sie sehen, wie er am Anfang die Kraft langsam aufbaut, sich dann einige Sekunden spannt bis die Stange sich biegt und zögerlich den Boden verlässt, wie eine Trägerrakete, die langsam abhebt. Dann treibt er langsam das Gewicht durch den Rest der Hebung, was bis hin zu fünf Sekunden dauern kann.
Wie schnell Schulterdrücken?
Soweit hat auch alles Gültigkeit für Kreuzheben und Bankdrücken.
Wir machen allerdings kein Bankdrücken, sondern Schulterdrücken. Und da ist es nicht ratsam, 3 Sekunden hoch und 3 Sekunden herunter zu bewegen. Das ist zu langsam. Wer sehr auf die Geschwindigkeit achtet, kann versuchen, eine gleichmäßige Geschwindigket mit Hilfe eines Metronoms einzurichten. Die Einstellung des Metronoms auf 60 Schläge pro Minute und dann 3 Schläge heben und 3 senken ist mörderisch. Steht der Metronom irgendwo zwischen 90 und 120 ist es immer noch kein ballistischer Wurf, sondern kann sehr schön und gleichmäßig durchzogen werden.
5 Wiederholungen rechts und 5 Wiederholungen links dauern in diesem Fall alles in allem etwa 25-40 Sekunden.
Das, worum es geht, ist ein ballistisches Heben zu vermeiden. Man bekommt das Gewicht natürlich besser hoch, wen man ein bisschen hüpft. Das ist aber in diesem Fall streng verboten. Das ist es kein "Drücken" mehr, sondern diese Disziplin nennt sich "Stoßen". Stoßen ist auch ein Sport, und auch ein guter und löblicher Sport, aber es ist nicht der Sport, den wir hier betreiben. Wir drücken. Wir stoßen nicht. Wir wurmen uns nicht. Wir machen keine ruckartigen Krümmungen um die tragende Schulter hochzuwerfen. Wir stehen kerzengerade wie die Statue von Friedrich Engels und drücken einfach. Und sollte das Gewicht dabei nicht freiwillig hochgehen, dann ist es zu schwer und wird nächstes Mal mit 20% verringert. Für heute ist dann erstmal Feierabend.
Bahnhofsuhr
Eine vielfach bestätigte Erfahrung ist, dass es nützlich ist, eine große Uhr zu kaufen, die einen großen Sekundenzeiger hat, so ungefähr wie eine Bahnhofsuhr.
Fängt man beim Schulterdrücken an, wenn der Sekundenzeiger oben ist (eine ganze Minute fängt gerade an), dann dauern fünf Wiederholungen rechts etwa 12-13 Sekunden. Dann dreht man sich um und gibt sich die Langhantel in die andere Hand und macht die fünf Wiederholungen links. Insgesamt dauert der ganze Vorgang 20-30 Sekunden. Der Sekundenzeiger ist jetzt irgendwo unten, vielleicht etwas rechts, vielleicht etwas links. Aber unten ist er.
Nun macht man den Strich auf der Strichliste, damit sichtbar wird, wie weit man im Programm ist. Nächstes Mal, wo der Sekundenzeiger wieder unten ist, also auf "6", macht man die zweite Wiederholung. Diese dauert auch etwa eine halbe Minute, und so ist der Sekundenzeiger am Ende wieder auf "12".
Insgesamt kann man das Programm so durchführen, dass man die ungeraden Satznummern, also Satz Nummer 1, 3, 5 und so weiter immer macht, wenn der Sekundenzeiger oben ist, und die geraden Sätze, also Satz Nummer 2, 4, 6 und so weiter immer dann, wenn der Sekundenzeiger unten ist.
Auf diese Weise hat man immer eine Pause zwischen den Folgesätzen von etwa 60 Sekunden, also 50-70 Sekunden.
Später geht es um das Kreuzheben. Das geht in der Regel etwas langsamer. So lange man noch kleine Gewichte drauf hat, macht man die fünf Wiederholungen vielleicht in 20 Sekunden. Aufgrund der Progression werden die Gewichte aber immer schwerer, und so dauert es nicht lange, bevor man recht schwere Gewichte drauf hat. In diesem Fall dauern die fünf Wiederholungen um die 30 Sekunden.
Diejenigen, die es vorziehen, das Kreuzheben mit dem Wechselgriff auszuführen, können dann so verfahren:
- Die ungeraden Sätze fangen mit dem Sekundenzeiger oben an. Sie fangen mit dem rechten Handrücken oben an.
- Die geraden Sätze fangen mit dem Sekundenzeiger unten an. Sie fangen mit dem rechten Handrücken unten an.
In diesem Fall entsteht eine gewisse Symmetrie. Das ist gut für Leute, die auf sowas stehen.
Progression
Die Gewichte müssen ständig erhöht werden. Sonst haben die Übungen keinerlei Wirkung. Es hat mich gewundert, im Fitnessstudio Frauen zu sehen, die drei Sätze zu 20 Wiederholungen von irgend einer Übung machen, mit dem gleichen gewicht seit 3 Jahren. Das können sie vergessen. Es brennt kein Fett ab, es gibt keine Kondition und es bewirkt keine Stärkung der Muskulatur. Es bessert nicht die Koordination. Das einzige, was es bewirkt, ist eine Vergeudung von Zeit, und sofern man für das Studio etwas bezahlt, eine Vergeudung von Geld.
Die ständige Erhöhung von Gewichten nennt man in Büchern über Training mit Gewichten "Progression", ein lateinisches Wort, das "Fortschreiten" bedeutet.
Einige Lehrbücher schreiben vor, mit welchem Gewicht man anfangen muss. Ein Trainer bestimmt das maximale Gewicht, das man heben kann und legt dann für die nächsten 4 oder 6 oder eine andere Anzahl Wochen fest, wie hohe Gewichte an welchen Tagen gehoben werden muss. An diesem Plan muss man sich fest halten.
In diesem Buch, "Power to the People" gibt es diese Art von Progression nicht.
In anderen Lehrbüchern ist von "Doppelprogression" die Rede. Damit wird gemeint, dass man eine gewisse Anzahl Sätze durchführt, die jeweils aus einer Anzahl Wiederholungen ("Repetitions" = "Reps") bestehen. Hat man letztes Mal mit einem bestimmten Gewicht vielleicht 5 Wiederholungen geschafft, schafft man diese Woche vielleicht 7 und nächste Woche vielleicht 10. Das ist "Progression der Wiederholungen". Hat man dann eine bestimmte Anzahl Wiederholungen erreicht, sodass es "genug" ist, dann erhöht man das Gewicht und schafft schon wieder etwas weniger Wiederholungen. Das ist "Progression des Gewichts". Die Progressionen der Wiederholungen und des Gewichts zusammen nennt man dann die "Doppelprogression".
In diesem Buch, "Power to the People" gibt es diese Art von Progression nicht. Pavel rät stattdessen dazu, die Gewichte zu erhöhen und zu senken auf eine solche Weise, dass man im Laufe der Zeit langsam die Gewichte steigert. Er nennt verschiedene Arten, das Gewicht zu erhöhen:
- Geradlinige Erhöhung: 70 - 72 - 74 - 76 - 78 usw.
- Stufenweise Erhöhung: 70 - 70 - 70 - 75 - 75 - 75 - 80 - 80 - 80 usw.
- Wellige Erhöhung: 70, 72, 74, 76 - 72, 74, 76, 78 - 74, 76, 78, 80 usw.
Rückschritt
Nachdem man nun einige Zeit solche Trainingseinheiten durchgeführt hat, und auch sorgfältig darauf geachtet hat, dass man nach dem einen oder anderen Progressionstyp die Gewichte ständig erhöht hat, dann kommt irgendwann der Tag, an dem das Gewicht so stark erhöht worden ist, dass man es nicht mehr heben kann. Oder nicht in "guter Form" heben kann. Oder nicht 5 Wiederholungen in "guter Form" durchführen kann.
Das ist der Punkt, wo man an dem Tag dann fertig ist. Das war dann die eine Übung. Wenn man die andere Übung planmäßig zu Ende führen kann, dann bitte schön.
Beim nächsten Trainingseinheit wird das Gewicht herabgesetzt, und zwar um 20%. Dieses Gewicht ist das Gewicht, das unter "3 Gesamt" aufgeführt ist. Dieses Gewicht wird beim nächsten Trainingseinheit als "1 Gesamt" benutzt.
Von diesem herabgesetzten Gewicht aus muss man jetzt entscheiden, wie die Progression durchgeführt werden soll. Je nachdem, welche Scheiben man zur Verfügung hat, wie viele Stufen es gibt bis zum letzten Gewicht, das man nicht heben konnte, und so weiter, entscheidet man sich für eine geradlinige, stufenförmige oder wellige Progression, die dann so gestaltet wird, dass man das alte Maximum nach 2-4 Wochen wieder erreicht.
Falls nichts anderes dazwischengekommen ist (Urlaub, Krankheit usw), wird man folgendes feststellen:
- In jeder Trainingseinheit ist es interessant, sich zu erinnern an das letzte Mal, als man bei diesem Gewicht war. Wie viele Folgesätze hatte ich damals geschafft? Wie viele heute? Wahrscheinlich mehr.
- Am Ende der Progression kann man das Gewicht heben, das man letztes Mal nicht heben konnte. Offensichtlich hat man an Kraft hinzugewonnen.
- Manchmal geht die Progression sogar noch darüber hinaus.
Irgendwann ist natürlich auch hier das Ende erreicht, sodass wieder das Gewicht um 20% vermindert werden muss.
Ich muss an dieser Stelle ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass die jungen und ehrgeizigen Trainierenden immer enttäuscht sind, wenn sie das Gewicht herabsetzen müssen und bei jeder Trainingseinheit den Tag herbeisehnen, an dem sie zeigen können, dass sie etwas heben konnten, was vorher nicht möglich war.
Das ist eine schöne und lustige Einstellung. Wer dieses Programm längere Zeit gemacht hat, wird feststellen, dass der Rückschritt das schönste und das wichtigste in diesem Programm überhaupt ist. Man wird lernen, den Rückschritt zu lieben. Er räumt auf. Er macht die Übung wieder sauber. Er nimmt den Stress beim Gewichtheben weg. Der Rückschritt ist einfach etwas schönes, etwas ähnliches wie ein Urlaub, den man erst verdienen muss, indem man so viel Böses auf dem Weg dahin durchmachen muss.
Ernährung
Pavel schreibt in seinem Buch, dass dieses Programm zu einem erheblichen Muskelwachstum führt, was ich durchaus selber bestätigen kann.
Dieses geschieht allerdings nur, wenn der Körper genügend Eiweiß zugeführt bekommt. Ich werde hier keinen Artikel über Sportlernahrung schreiben, davon gibt es im Internet genügend.
Ich mache nur darauf aufmerksam, dass die Grundsteine einer guten Ernährung sehr wohl Getreide und Hülsenfrüchte seit können. Es muss nicht immer Fleisch und Milch sein, obwohl Milch zugegebenermaßen stark anabole Wirkungen hat.
Man muss trotzdem auf vollwertige Kost achten, sonst wird man durch den gewaltigen Hunger, die dieses Programm erzeugt,
Belastbarkeit
Es ist im Buch die Rede davon, dass die Gesamtmenge an Tonnen, die wöchentlich gehoben werden müssen, schnell in die Höhe steigt, und dass dieses eine Belastung für den Körper werden kann.
Das Training wird aber auch zunehmend eine Belastung für die Seele, für die Psyche. Man erlebt Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, bis hin zu den Anfängen einer Depression, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen.
Man wird ein erhöhtes Schlafbedürfnis spüren und auch nach einiger Zeit eine zunehmende Müdigkeit, die irgendwann gar nicht mehr weggehen wird. In anderen Lehrbüchern ist hier von "Übertraining" die Rede. Es ist die Rede davon, dass Übertraining unser größter Feind ist, und dass man nie auch nur in die Nähe davon kommen sollte.
Es geht gar nicht darum, dass man nicht die vorgeschriebenen Hauptsätze und Folgesätze machen kann. Man kann. Es geht auch nicht darum, dass man nicht ständig mehr Folgesätze nach jedem Rückschritt machen kann. Man kann. Es geht darum, dass alles einfach zu viel wird. Einfach zu viel.
Nun, wenn es alles zu viel geworden ist, und wenn es tatsächlich am Training liegt, und nicht an Schlaflosigkeit, Finanzamt, Liebeskummer, Vitaminmangel, Krebserkrankung oder Tuberkulose, dann ist es tatsächlich eine Art Übertraining. Das kann jedem passieren. Nein, das ist falsch ausgedrückt: Es wird mit Sicherheit jedem passieren.
Das einzige bewährte Mittel gegen Übertraining ist, weniger zu trainieren. In diesem System muss man noch einen Rückschritt machen. Es ist natürlich furchtbar, wenn man einen Rückschritt von 20% macht, und dieses nicht genug ist, und wenn man dann noch 20% obendrauf knallen muss, sodass man Kindergartengewichte hebt.
Egal. Mach das. Es wird die Muskeln, den Kreislauf, die Ausführung der Übungen, die Seele und das ganze System reinigen.
Und - oh Wunder! - wenn man im Laufe der Progression wieder dahin gekommen ist, wo man letztes Mal an Depression gelitten hat, dann leidet man diesmal nicht mehr daran und ist nicht mehr übertrainiert.
Man sagt, dass die "Arbeitskapazität" und "allgemeine Belastbarkeit" zugenommen hat, und manch einer wird sagen, dass seine "psychische Belastbarkeit" sich gebessert hat.
Das ist auch nicht sehr merkwürdig, denn ein Anfänger, der in Schulterdrücken gerade noch 1/5 seines Körpergewichtes und in Kreuzheben gerade noch das halbe Körpergewicht schafft, der hebt in den Anfängen seines Trainings vielleicht 6 Tonnen pro Tag und damit 18 Tonnen pro Woche, während der Fortgeschrittene, der sein halbes Körpergewicht drückt und sein doppeltes Körpergewicht hebt durchaus 20 Tonnen pro Tag und damit 40-60 Tonnen pro Woche. Der hat natürlich auch so Arme wie unsereins Beine hat, oder mehr, und es hat ihm vielleicht 10 Jahre gedauert, dahin zu kommen.
Wenn ein Anfänger, der physisch und psychisch erschöpft ist, weil er in der Woche 18 Tonnen hebt, nach einigen Progressionen und Rückschritten irgendwann 30 Tonnen pro Woche schafft, und zwar ohne müde oder depressiv zu werden, dann kann man durchaus von einer gesteigerten Arbeitskapazität oder Belastbarkeit sprechen.
Man gewinnt nicht nur an Muskelkraft und Muskelmasse mit diesem System. Man gewinnt auch an Ausdauer, sowohl physisch als psychisch. Der ganze Mensch ändert sich durch dieses einfache Training. Wer einen großen Rückschritt macht, der erlebt eine der glücklichsten Zeiten seines Lebens. Man soll sich über die Kindergartengewichte nicht schämen. Man soll sie in vollen Zügen genießen.
Wer 40% zurückgesetzt hat, muss auch nicht in 2-4 Wochen alles wieder zurück gewinnen. Man kann ruhig 2 Monate oder mehr dafür einplanen. Das Leben ist ja noch lang. Wo ist das Problem?
Jedes Mal, wo man wieder aufsteigt, kommt man in der Regel in irgendeiner Hinsicht höher als man vorher war.
Wie im richtigen Leben...
Sinn und Zweck
Warum das alles. Warum soll man überhaupt mit so einem Training anfangen und es dann auch noch jahrelang weiter machen.
Was hat es überhaupt für einen Sinn und einen Zweck?
Mehr Kraft
Ein wichtiges Ergebnis, das sich von selbst einstellt, wenn man häufiger mit schweren Gewichten herumfuchtelt, ist, dass die Muskulatur immer kräftiger wird.
Als Arzt kann es mir persönlich egal sein, ob meine Patienten stark oder schwach sind, solange sie noch auf den Beinen stehen können und ihre Arbeit machen. Ich persönlich sehe es nicht als Zweck, meinen Patienten grundsätzlich mehr Muskelkraft zu bescheren.
Allerdings muss man bemerken, dass einige Patienten tatsächlich aus verschiedenen Gründen nicht die Kraft haben, die sie eigentlich haben sollten. Das kann eine Folge von körperlichen oder psychischen Krankheiten sein oder andere Ursachen haben. Viele versuchen mit verschiedenen Freiübungen oder Yoga, den Körper wieder zu stärken. Wer da Lust hat, tatsächlich schwere Arbeit mit Hanteln auszuführen, hat mit diesem Trainingssystem auf eine gute zusätzliche Möglichkeit.
Rumpfstabilität
Die allgemeine Muskelkraft eines Menschen ist für einen Arzt nicht sehr wichtig, außer bei denen, die wegen Krankheit geschwächt sind. Für die wünscht man sich, dass sie wieder zu Kräften kommen.
Viel wichtiger aber ist, dass Kraft aufgebaut wird in den Muskeln, die den Körper aufrecht halten. Würden wir den ganzen Tag durch die Gegend laufen, wie unsere Vorfahren vor 20.000 Jahren taten, bevor die ersten Menschen sesshaft wurden, dann hätten wir die Probleme mit der Rumpfstabilität nicht. Wir laufen aber nicht den ganzen Tag durch die Gegend, sondern viele von uns sitzen, entweder vor einem Computer, vor einem Fließband oder vor einer Maschine, oder als Fahrer eines Kraftfahrzeugs, auf jedem Fall gibt es viele von uns, die einen Großteil ihres Tages sitzend verbringen.
Das lange Sitzen bedeutet, dass die rumpfstabilisierenden Muskeln sehr lange in der gleichen Stellung verharren müssen, wodurch sie schlechter durchblutet werden und schlechter ihre Abfallstoffe los werden. Sie neigen dazu, sich zu verhärten und schmerzhafte Knoten zu bilden. Im schlimmsten Fall muss man eine Massage haben, um die Knoten wieder los zu werden.
Andere Muskeln verweigern den Dienst und erschlaffen, sodass der Mensch in seinen Gelenkbändern hängt - die Wirbelsäule nimmt in diesem Fall eine Krümmung an, die ohne Muskelkraft gehalten werden kann. Das mag angenehm sein, weil es keine Anstrengung verlangt, bedeutet dann aber, dass die Gebilde aus Bindegewebe, Knorpel und so weiter einseitig belastet wird. Dadurch ergeben sich Schmerzen in Sehnen und Fascien. Und wenn die gleichen Bandscheiben im Rücken immer auf die gleiche Weise belastet werden - Stunde nach Stunde, Tag nach Tag das ganze Jahr um, dann werden die Bandscheiben, die ja bekanntlich nicht durchblutet sind, nicht ordentlich ernährt. Die Bandscheiben degenerieren daher und es kommt später zu Bandscheibenvorwölbungen und Bandscheibenvorfällen.
Ein vernünftiger Ausgleich zum langen Sitzen ist, dass man in der Freizeit irgend eine Bewegung bekommt. Eigentlich spielt es keine Rolle, was für Bewegung das ist. Joggen, Schwimmen, Jazztanz, Volleyball oder Judo. Was Sie möchten, das ist alles gut.
Wer in der Freizeit gerne mit Gewichten hantieren möchte, hat durch das Trainingsprogramm "Power to the People" ein Programm, dass die rumpfstabilisierenden Muskeln stärkt.
Warum?
Nun, wenn wir die Langhantel mit der rechten Hand nach oben drücken, bis der Arm gestreckt ist, müssen wir uns fragen, warum die rechte Schulter dann nicht nach unten fällt. Die rechte Schulter fällt deswegen nicht nach unten, weil die Muskeln vom Kopf und von der Halswirbelsäule die Schulter nach oben ziehen und festhalten. Wenn das aber so ist, warum fällt der Kopf und der Hals dann nicht nach rechts? Weil die gleichen Muskeln auf der linken Seite, die vom Nacken bis zur Schulter hart daran ziehen, damit die Halswirbelsäule gerade bleibt. Aber dann müsste die linke Schulter doch nach oben gezogen werden, oder nicht? Nein, denn von der linken Schulter gehen andere Muskeln herunter bis auf die Lendenwirbelsäule und hält die linke Schulter nach unten. Alle diese Muskeln müssen arbeiten, damit die rechte Hand das Gewicht nach oben drücken kann. Sobald der Satz zu Ende ist, nimmt man das Gewicht in die linke Hand und schon wird alles wiederholt nur eben spiegelverkehrt. Und schon werden die gegenseitigen Muskeln trainiert.
Das wäre nicht passiert, wenn wir die Langhantel mit beiden Händen gleichzeitig nach oben gedrückt hätten. Diese Übung gibt es auch, sie heißt "Military Press" und ist sehr gut trainierbar. Sie gibt schöne Schultern, aber sie gibt keinen starken Rücken. Den starken Rücken bekommen Sie, weil Sie einseitig, also unsymmetrisch trainieren.
Bei alledem muss aber auch die Lendenwirbelsäule gerade gehalten werden. Dafür sind die Bauchmuskeln da. Wer zum ersten Mal in seinem Leben Schulterdrücken übt, bekommt auch Muskelkater im Bauch. Er braucht dann an dem Tag keine Bauchübungen mehr zu machen.
Alle diese Muskeln - die seitlichen Muskeln, die die Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie die Schultern stabilisieren, sind die rumpfstabilisierenden Muskeln. Und sie werden durch das Schulterdrücken trainiert. Und das ist für den Arzt sehr interessant, denn gerade die Muskeln sind es, die durch langes Sitzen geschädigt werden.
Was nun das Kreuzheben angeht, ist das eine Übung, die fast alle Muskeln im ganzen Körper beansprucht. Kreuzheben wird (wie Kniebeugen auch) von vielen Kraftsportlern als allgemeines Mittel zum "bulking up" benutzt - also allgemeines Wuchsmittel um den gesamten Körper um einige kilo zu bereichern. Fest steht, dass das Kreuzheben, aus medizinischer Sicht, Wachstumshormone freisetzen und tief greifende Wirkungen auf den gesamten Organismus hat.
Schlaf
Ohne jetzt näher in die Schlafphysiologie einzutauchen, kann man grob sagen, dass der Schlaf mindestens aus leichtem Schlaf und Traumschlaf einerseits und aus Tiefschlaf andererseits besteht. Es gibt noch eine Menge andere Feinheiten, aber die sind in diesem Zusammenhang nicht so wichtig.
Der Inhalt des Traumschlafes spiegelt gewissermaßen die Erlebnisse des Tages wieder, wobei zu den Erlebnissen auch all das zählt, was man nicht erlebt hat, sondern sich nur gedacht oder vorgestellt hat. Die Tiefe des Tiefschlafes spiegelt gewissermaßen die körperliche Arbeit des Tages. Das stimmt nicht ganz und ist sehr grob, aber als Gedankenstütze mag uns das fürs erste reichen.
Die Leute, die am besten schlafen, sind also die kleinen Kinder. Sie haben keine Sorgen und keine Gedanken im Kopf, sondern laufen den ganzen Tag herum, stolpern und beißen in ihren Bauklötzen. Sie schlafen tief und fest und lange.
Die Leute, die am schlechtesten schlafen, sind die, die nur vor dem Fernseher sitzen und darüber nachgrübeln, wieviel Krieg, Elend, Hunger und Leiden es in der Welt geht, und wie es wohl der Enkeltochter gehen mag, und sich überhaupt über alles mögliche Sorgen macht, aber die keine Bewegung bekommen. Sie haben keinen Tiefschlaf, man braucht nur mit den Finger schnipsen, und schon wachen sie auf. Und sie träumen viel, wenn sie überhaupt schlafen. Sie wollen immer vom Arzt Schlaftabletten verordnet haben.
Es kommt bestimmt nicht als Überraschung, dass ich als Arzt für einen guten Schlaf zwei Mittel nenne: Erstens weniger Stress, und zweitens mehr körperliche Bewegung.
Was die körperliche Bewegung angeht, höre ich oft: Wir haben eine große Wohnung, und die muss ich ganz alleine sauber machen. Und dann das Bügeln. Und Einkaufen muss ich auch noch. Und ich gehe jeden Tag mindestens eine Stunde mit dem Hund. Und so weiter. Mit allem Respekt, das ist sicherlich anstrengend, und diese Person ist sicherlich auch abends müde, ist aber nicht auf der gleichen Weise körperlich erschöpft, wie ein Maurer, der den ganzen Tag Steine geschleppt hat. Es gibt verschiedene Arten von Müdigkeit.
Und die Müdigkeit, die entsteht, wenn Sie im Keller mal eben 15 Tonnen Eisen bewegt haben, ist anders, als wenn Sie gerade 50 Hemden gebügelt haben, das kann ich Ihnen versichern. Und der Schlaf in der Nacht danach ist auch anders. Wer das probiert hat und verglichen hat, der weiß, was ich meine.
Wenn Sie Muskeltraining betreiben, tun Sie gleichzeitig etwas für den Schlaf. Und dadurch, dass Sie besser schlafen, lernen Sie auch besser. Denn das Buch, das Sie am Tag gelesen haben, enthält Wissen, das Sie viel besser im Gehirn speichern können, wenn Sie gut schlafen. Haben Sie nicht gut geschlafen, dann können Sie morgen das ganze Zeug nochmal lesen, weil Sie das meiste wieder vergessen haben.
Psychomotorik
Das psychische Wohlbefinden beeinflusst unser Bewegungsmuster. Einer, dem seine Mutter gerade gestorben ist, bewegt sich anders als einer, der gerade im Lotto gewonnen hat. Und wenn ein Kollege sich auf der Arbeit anders bewegt als sonst, fragen wir ihn: "Bist du verliebt?". Diese Dinge sind uns sehr bekannt. Wir erkennen eine Krankheit beim Kind nicht dadurch, dass wir Fieber oder Blutdruck messen, sondern bemerken, dass wenn das Kind nicht fröhlich herumtollt wie üblich, wenn es sich auffällig bewegt, dann ist es krank und "hat irgendwas". Ich glaube nicht, dass das etwas ist, was wir näher diskutieren müssen, das ist einfach so. Die Leute, die da meinen, dass Körper und Seele zwei getrennte Dinge sind, sagen dann: Die Seele wirkt sich auf den Körper aus.
In diesem Zusammenhang müssen wir aber noch betonen, dass es auch anders herum geht. Der Körper wirkt sich auf die Seele aus. Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung aus der Praxis versichern, dass ein Patient, der einpaar Monaten lang Rückenschmerzen gehabt hat, oder das Bein in Gips, psychisch völlig anders drauf ist als einer, der nichts hat. Wenn man rückenbedingt gezwungen ist, niedergebeugt umherzugehen, dann wird die Seele auch irgendwann niedergebeugt.
Sie glauben das nicht? Ich muss hier eins der zahlreichen Bücher von Professor Manfred Spitzer zitieren, wo er von einem Versuch erzählt, der irgendwo mit Studenten gemacht wurde. Die Studenten sollten eine Reihe von Sketches, also lustige Videos anschauen, die teilweise mehr lustig waren und teilweise nicht so besonders. Dann erhielten sie ein Notizblock und sollten jedem Sketch eine Note für die Lustigkeit erteilen. Jeder zweite Student wurde angewiesen, einen Bleistift im Mund zu halten, und zwar längs, also mit dem einen Ende im Mund und dem anderen Ende draußen. Der Mund hattet also eine angespitzte Stellung, als ob man pfeift. Der Rest der Studenten wurde angewiesen, einen Bleistift im Mund zu halten, und zwar quer, sodass der Bleistift rechts und links aus dem Mund rausguckte. Und jetzt zum Ergebnis der Untersuchung: Die Studenten, die den Bleistift quer hatten, fanden durchschnittlich die ganzen Sketches wesentlich lustiger als die Studenten, die den Bleistift längs hatten. Warum? Wer den Bleistift quer sitzen hat, zieht die Gesichtsmuskeln, als ob er lachen würde. Wer den Bleistift längs sitzen hat, zieht die Gesichtsmuskeln, als wäre er böse. Und schon diese Muskelbewegung wirkt sich derart kräftig auf die Seele aus, dass das Urteilsvermögen beeinflusst wird. Das ist echt krass!
Ich kenne keine Untersuchungen, die die psychischen Urteile von schwachen und starken Menschen verglichen haben. Aber ich bin mir sicher, dass ein Mensch mit einer starken rumpfstabilisierenden Muskulatur, der aufrecht geht und seinen Kopf hoch hält, der sich schnell bewegt, bückt, dreht, aufspringt, die Welt völlig anders sieht als ein Mensch, der wie eine Seekuh mühselig durch die Gegend watschelt und kaum eine herunter gefallene Brille wieder aufheben kann.
Sie sehen schon, wo ich hin will: Wenn Sie die rumpfstabilisierende Muskulatur so trainieren, dass Ihre Körperhaltung und Ihre tägliche Bewegungen kräftig und lebhaft werden, dann werden Sie sich psychisch wohler fühlen und werden auch andere Urteile über andere Menschen fällen, als Sie es tun, wenn Sie geschwächt sind. Das wird sich auf Ihre Beziehungen zu Ihrer Umwelt auswirken. Sie werden nicht nur einen starken Körper, sondern auch eine starke Persönlichkeit entwickeln.
Körper und Seele sind keine zwei getrennten Einheiten. Als Allgemeinarzt legt man grundsätzlich eine ganzheitliche Sichtweise an. Alles hängt zusammen und alles bildet eine Einheit.
Vorbeugung
Als Hausarzt wird man ständig nach Massagen gefragt. Ich habe mir wieder etwas verknackt. Ich brauche wieder Massagen.
Einige gehen zu Osteopathen oder Chiropraktiker und lassen sich "einrenken". Immer wieder "renken sie sich aus".
Diese Anwendungen haben das gemeinsam, dass der Patient nichts tun muss. Die Krankenkasse muss bezahlen. Und der Patient muss etwas an sich tun lassen, sich massieren lassen, einrenken lassen. Auf gar keinen Fall muss er selbst was tun. Das einzige, was er tun muss, ist sich zu beschweren, dass sein Selbstkostenanteil bei den Massagen so hoch ist. Allerhöchstens muss er eine Tablette schlucken, die der Arzt verschrieben hat, der Apotheker herausgegeben hat, und die Krankenkasse bezahlt hat. Und nachdem alle diese Leute all das getan haben, klagt er über Nebenwirkungen und möchte ein anderes Präparat. Das einzige, was er kann, ist zu verlangen, dass andere Leute etwas für ihn tun. Das ist keine gute Idee. Andere Leute tun nur so lange was für ihn, wie diese andere Leute daran was verdienen. Ober er dabei gesund wird oder nicht, ist denen völlig egal.
Wann kommt er auf die Idee, mal selbst etwas zu unternehmen?
Und was ist die beste Vorbeugung gegen "sich verknacken" und "sich ausrenken"?
Eine starke rumpfstabilisierende Muskulatur zu bilden, die verhindert, dass sich ständig etwas verzieht.
Vorbeugen ist besser als Heilen.

Immunität
Dieses ist eine lose Zusammenstellung von Gesprächen, die in den letzten 10 Jahren in meiner Praxis geführt worden sind - aus den verschiedensten Anlässen. Irgendwie kommen wir immer dazu, über die gleichen Dinge zu sprechen. Mit den Jahren gewinnen die Gespräche dann mehr und mehr eine feste Form, sodass man sie eigentlich auch gleich aufschreiben kann. Genau das mache ich dann jetzt.
Dauer der Immunität
Man nimmt allgemein an, dass man nach der Vollendung einer vorgeschriebenen Impfserie, die aus 1, 2, 3 oder einer anderen Anzahl von Impfungen schlagartig immun gegen die geimpfte Krankheit ist. Die Firma, die die Impfung herstellt, oder die STIKO sagen uns dann, wie lange die Immunität dauert. Bei der Tetanusimpfung ist es bekanntlich so, dass sie alle 10 Jahre aufgefrischt werden soll. Es gehört zu den Aufgaben des Hausarztes, alle Menschen daran zu erinnern, den Impfpass zu suchen und immer dafür zu sorgen, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht und was die Krankenkassen bezahlen.
Nun kommt immer wieder die Frage auf, was nun passiert, wenn die Impfung mehr als 10 Jahre zurückliegt, zum Beispiel 12 Jahre. Muss man dann alles von vorn anfangen? Ist man jetzt völlig ungeschützt? Vielleicht ist es ja so, dass die Immunität unmittelbar nach der letzten Impfung vollständig sei, und genau 10 Jahre anhält, dann aber am ersten Tag des 11. Jahres schlagartig weg sei. In diesem Fall darf man auf der Hut sein. Dann wäre man in der Tat ungeschützt und könnte von vorn anfangen. So ist es allerdings nicht. Je längere Zeit vergeht, desto mehr nimmt die Immunität ab (nimmt man meistens an), sodass die Immunität irgendwann, wenn man lange genug wartet, kaum mehr vorhanden ist. Ganz verschwindet die Immunität allerdings nie. Der Körper vergisst die Impfung nie. Sobald man auch nur eine Auffrischimpfung erhält, ist alles wieder beim alten.
Und wie häufig soll man das nun machen? Die Zahl 10 Jahre ist ja fast zu rund und schön um wahr zu sein. Aber sicher ist sie zu schön. Man hätte genau so gut 9 Jahre oder 13 Jahre hinschreiben können, oder 8 Jahre, 3 Monate und 4 Tage meinertwegen. Die 10 Jahre bedeuten nichts anderes als dass alle Menschen hin und wieder ihre Impfungen auffrischen sollen. Und dass die Kassen es dann alle 10 Jahre bezahlen, damit es irgendeine leicht umsetzbare Regel gibt.
Für gewisse andere Impfungen gibt es andere Intervalle. Das kann für FSME 5 Jahre sein oder für Typhus 3 Jahre oder irgend eine andere Zeit.
Es kommen auch ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinzu. Früher galt die Gelbfieberimpfung 10 Jahre. Wenn man im Zoll aus einem Gelbfieberland eingereist war, und die Impfung mehr als 10 Jahre zurücklag, dann gab es Quarantäne oder Einreiseverbot. Heute hat man festgelegt, dass eine einzige Impfung lebenslang gilt. Das gilt so lange, bis man sich für etwas anderes entscheidet. Bisher hat man damit gerechnet, dass die Immunität nach Impfung gegen Hepatitis A 10 Jahre dauert. Nach neueren Untersuchungen dauert sie vielleicht 25 Jahre oder noch mehr.
Ob man dann trotz abnehmender Immunität im Laufe der Jahre nun tatsächlich impfen soll oder nicht, ist auch Gegenstand für Diskussionen in den Behörden. In Nordrhein-Westfalen gilt: Wer dreimal gegen Polio geimpft worden ist, kann keine Polio mehr bekommen und braucht deswegen auch nicht mehr seine Impfung auffrischen zu lassen. Es sei denn, er reist nach Indien. Dann kann er auf einmal plötzlich nun doch Polio bekommen und muss geimpft werden. Was jetzt? Ist er nun immun oder nicht? Naja, es ist eben ein Kompromiss. Solange man in einem Niedrig-Risiko-Land ist, hält man es nicht für nötig, eine schwache Immunität zu stärken, in einem Hochrisikoland aber schon.
Antikörper und Schutzwirkung
Man teilt das Immunsystem grob im Humoralen Immunantwort und im Zellulären Immunantwort. Die humorale Antwort hat mit Antikörpern zu tun. Dieses ist irgendwie allgemein bekannt, und so möchten immer wieder Besucher der Praxis Antikörper gegen irgend etwas gemessen haben - sei es Masern, Röteln, Coronavirus oder sonst was.
Anscheinend glaubt man, dass wenn man Antikörper hat, dann ist man immun - zumindest wenn man mindestens so und so viele Einheiten pro Liter hat. Wenn man weniger hat, oder gar keine, dann ist man nicht immun.
Aber auch das stimmt nicht ganz. Es gibt viele ähnliche Artikel über fehlende Antikörper, hier ist zum Beispiel ein kurzer. In diesem Artikel geht es unter anderem um Leute, die vor ewigen Zeiten mal gegen Hepatitis B geimpft worden sind, aber inzwischen entweder überhaupt keine Antikörper mehr gegen Hepatitis B haben, oder nur so wenige, dass sie als nicht mehr immun gelten. So, einige von ihnen leben mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen, der oder die Hepatitis B hat und große Mengen Virus ausscheiden, dass eben diese Menschen auch selber aufgrund von ständig neuer Ansteckung Hepatitisvirus im Blut haben, aber eben sehr wenig. Und vor allen Dingen, sie werden nicht krank. Die Impfung schützt also doch. In dem Artikel geht es ebenfalls darum, dass wenn man sie dann impft, dann reagieren die, die bereits viele Antikörper haben, mächtig gut auf die Auffrischimpfung. Aber die anderen eben auch. Was uns also zeigt, dass der Körper die uralte Impfung nicht vergisst.
Die lang anhaltende Immunität sitzt nicht (nur) in den messbaren Antikörpern, sondern vor allem in den Gedächtniszellen, die man nicht messen kann.
Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus: Alle, die im medizinischen Bereich arbeiten, müssen eine gewisse Menge Antikörper gegen Hepatitis B haben. Wenn sie darunter liegen werden sie wieder und wieder geimpft (ich habe auf Anweisung eines Betriebsarztes sogar eine Patientin 6-mal impfen müssen, die letzten Male mit der doppelten Dosis). Ist diese Schlussfolgerung richtig?
Ausmaß der Schutzwirkung
Auch hier haben wir es mit der allgemeinen Auffassung zu tun: Wenn ich gegen Virus XY geimpft bin, dann kann ich es nicht mehr bekommen. Ja, schön wäre es. Aber so funktionieren die Dinge eben nicht. Wie wir oben gesehen haben, der Mann mit der hepatitiskranken und hoch ansteckenden Frau hat selbst Hepatitisvirus im Blut, aber eben nur sehr wenig, und er wird nicht krank.
Ganz anders funktioniert das, wie wir so eindrucksvoll in der Coronavirus-Pandemie gesehen haben. Es war zum Anfang der Impfungen die Rede davon, dass die Leute wohl mit Vaxzevria, dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft wurden, dass diese Impfung aber nur eine 60%ige Schutzwirkung oder so zeigte. Soll heißen, bringt nicht viel. Die Engländer haben aber trotzdem voller Vertrauen zu ihrer Impfung fröhlich darauf losgeimpft, junge, alte, dicke, dünne, Männer, Frauen, Engländer und Ausländer. Und als man aus Deutschland etwas skeptisch nachgefragt hat, warum sie denn alle so begeistert von diesem Impfstoff seien, wenn die Impfung sowieso keine ordentliche Schutzwirkung hat, hieß es gleich: Jaja, aber von den Geimpften musste noch keiner beatmet werden. Sie kriegen vielleicht einen Schnupfen, oder Kopfschmerzen, aber sie müssen nicht auf die Intensivstation. Und plötzlich hieß es in Deutschland: Wenn das so ist, dann impfen wir mal alle damit. Das heißt: Die Impfung schützt nicht unbedingt gegen die Infektion, gegen den Tod aber schon. (Inzwischen gibt es mit dem Impfstoff andere Probleme, aber das ist eine andere Geschichte.)
Vor kurzem kam dann noch ein Artikel in einem der medizinischen Fachzeitschriften. Ich habe jetzt keinen Link dazu gesetzt, weil ich das nicht wirklich so wichtig finde. Aber bereits nach kurzer Zeit in der Pandemie stand fest, dass Patienten mit Vitamin-D-Mangel eine 19-fach höhere Sterblichkeit an Coronavirus hatten im Vergleich zu denen, die keinen Mangel haben. Doch was dieser neue Artikel jetzt auf einmal triumphierend feststellte: Eine neuere statistische Untersuchung hat ergeben, dass Menschen unabhängig vom Vitamin D Spiegel gleich häufig mit Coronavirus infiziert werden. Soll heißen: Höhö, alle ihr Vitamin-D-Fanatiker (von denen ich ja auch einer bin), da sieht ihr, Vitamin D schützt dann doch nicht! Ja, es hat ja auch keiner was anderes gesagt. Sie bekommen alle das Virus, ob sie viel oder wenig Vitamin D im Blut haben. Nur der, der genug Vitamin D hat, bekommt vielleicht einen Schnupfen, der einen Mangel hat muss vielleicht gleich ins Krankenhaus. Es geht nicht um eine absolute Schutzwirkung, nur um eine gewisse Milderung des Verlaufs.
Immunität nach Krankheit
Wenn ich einmal eine Krankheit gehabt habe, dann bin ich lebenslang immun. Ja, schön wäre es, wenn alles so nach dem Bilderbuch laufen würde. Wenn man als Arzt gesehen hat, wie die Leute zweimal Windpocken, zweimal Mumps oder zweimal Röteln bekommen haben, dann glaubt man schon lange nicht mehr an solche schwarz-weiß-Darstellungen. (Ich habe übrigens noch keinen gesehen, der zweimal Masern hatte.)
Die Krankheiten hinterlassen mehr oder weniger Immunität, die mehr oder weniger nützlich sein kann. Der klassische Fall der Immunität gegen Windpocken, die man in der Kindheit erfolgreich überstanden hat, ist allgemein bekannt. In der Regel gilt tatsächlich, dass man lebenslang immun ist, und nicht mehr Windpocken bekommt. Das Virus versteckt sich aber irgendwo im Körper, und wenn man älter wird, braucht es nur eine fieberhafte Erkrankung, ein paar schlaflose Nächte, eine Impfung gegen irgendwas, oder etwas Stress - und schon springt das Virus wieder heraus und verursacht Gürtelrose. Die Richtlinien für Hausärzte sagen, dass bei allen, die über 60 Jahre alt sind, soll man ihnen empfehlen, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen. Und schon hört man: Das brauche ich nicht, Gürtelrose habe ich schon gehabt. Und genau da steckt das Problem. Auch wenn man 10-mal Gürtelrose gehabt hat, wird man kein bisschen mehr immun dagegen. Das kann man noch zum 11. Mal bekommen. Hier ist wirklich ein klassischer Fall, der uns zeigt, dass die medizinische Wissenschaft etwas regeln kann, was die Natur nicht hinbekommt. Denn nach der Impfung ist die Schutzwirkung wirklich gut. Moderne Kinder sind alle gegen Windpocken geimpft. Wenn sie alt werden, bekommen sie keine Gürtelrose mehr, schön für sie.
Von solchen Geschichten gibt es aber noch mehr. Als ich seinerzeit Militärarzt war, im Auslandseinsatz bei den Blauhelmen, musste ich mich auch um die Soldaten kümmern, die sich Kondylomen zugezogen hatten. Das war in der Zeit, vor HIV und bevor die Benutzung von Kondomen gebräuchlich wurde. Diese Kondylome musste man regelmäßig mit Podophyllotoxin pinseln, mal schrumpften die Warzen, mal kamen sie wieder, mal führte das Medikament zu Verätzungen, was für ein Theater. Das interessante ist, dass die Kondylome mehr oder weniger keine Immunität hinterlassen. Es ist öfters vorgekommen, dass bei einem Patienten, den man mit allem Pinseln und Schnibbeln nicht heilen konnte, man ihn mit HPV-Impfstoff geimpft hat, und schon verschwanden die Kondylome wie Tau vor der Sonne. Noch ein Beispiel dafür, dass die Schulmedizin besser ist als die Natur. Grüße an die Waldorfschulen.
In der Praxis hatten wir Mitte 2020 eine junge Patientin, die über Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn klagte. Wie man weiß, ist das ein typisches Symptom auf Infektion mit Covid-19. Also wurden Tests gemacht, die aber negativ ausfielen. Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohrenarzt und beim Neurologen brachten nichts. Also musste sie damit leben, dass alles nach Pappe schmeckte, weil niemand etwas dagegen unternehmen konnte. Nun arbeitet sie allerdings in einem Pflegeheim und gehörte deshalb zu den ersten, die mit dem AstraZeneca Impfstoff geimpft wurden. Kurz danach berichtete sie, dass sie auf einmal Geruch und Geschmack wiederbekommen hatte. Was schließen wir daraus? Sie wird einen leichten Verlauf an Covid-19 gehabt haben, ohne dass jemand das beweisen konnte, und der neurologische Begleitschaden, den dieses Virus gelegentlich verursacht, hat sie nicht mit eigenen Kräften überwinden können. Nach der Impfung aber schon.
Es geht nicht darum, auf die Impfgegner herumzuhacken. Wenn sie keine Impfungen wollen, ist das deren Sache. Aber auch mein Gesichtspunkt, dass man mit Impfungen oft Erstaunliches erreichen kann, soll mal erwähnt werden.
Lebende und tote Impfstoffe
Die erste Impfung der Welt, die ja von Edward Jenner erfunden wurde, war eine Lebendimpfung. Das ist ein abgeschwächtes Virus, das sein Glück im Menschen versucht, aber schnell den kürzeren zieht und keine andere Dauerwirkung hinterlässt als dass der Mensch immun dagegen wird und damit auch immun gegen das wirklich gefährliche Virus wird.
Abgeschwächte Viren sind etwas schönes. Das Poliovirus kann man in Zellkulturen züchten und direkt auf einem Stück Zucker zum Schlucken geben. Auch gegen Masern, Mumps und Röteln wird mit Lebendimpfstoffen geimpft. Um eine Impfung mit einem Lebendimpfstoff zu überstehen braucht man ein funktionierendes Immunsystem. Hat das Immunsystem irgendwelche angeborene Schwächen oder Besonderheiten, oder ist man geschwächt, weil man krank ist, Kortison, Chemotherapie oder irgend anderes Schwächendes hat, dann ist das Virus vielleicht starker als der Mensch und gewinnt die Oberhand. Lebendimpfstoffe sind etwas für Gesunde.
Lebendimpfstoff ist nichts für Schwangere, weil das ungeborene Kind es auch bekommt, und sich dagegen nicht wehren kann. Man kann Schwangere aber mit einem Totimpfstoff impfen.
Eine Besondere Geschichte gibt es zum alten Impfstoff gegen Polio. Da dieser nicht gespritzt werden muss, sondern geschluckt wird, entwickelt sich das Virus im Darm und wird auch mit dem Darm ausgeschieden. Wer also eine Schluckimpfung bekommen hat, und danach in einem schwedischen See baden geht, kann das Badewasser mit Impfvirus verunreinigen. Wenn der nächste Schwimmer vorbeikommt und das verunreinigte Wasser schluckt, dann wird er damit infiziert. Toll, könnte man sagen, da kann man gleich die ganzen Badegäste kostenlos impfen. Das Problem ist, dass die Art und Weise wie man das Virus abgeschwächt hat, ist, dass das Virus so lange in Zellkulturen gelebt hat, bis es vergessen hat, wie man Menschen krank macht. Wenn das gleiche Virus jetzt mehrmals vom einen Mensch zum anderen weitergegeben wird, dann bekommt es langsam wieder seine alten bösen Eigenschaften wieder, es wird renaturiert. Deshalb hat man in Schweden immer gegen Polio mit Totimpfstoff geimpft, weil Schweden ein Felsenland ist, es besteht komplett aus Stein. Sie trinken Oberflächenwasser aus den Seen. In Dänemark aber, wo ich her komme, haben wir immer mit Lebendimpfstoff geimpft, weil Dänemark ein altes Korallenriff ist, das porös ist, sodass wir Brunnenwasser trinken können. Außerdem haben wir keine Seen, sondern nur Meer. Ein ähnliches Problem gibt es in Afrika. Polio war ja bis vor ein paar Jahre so gut wie ausgerottet, selbst im letzten Dorf in Afrika. Aber einerseits hat es viele Bürgerkriege gegeben, die zu Störung der Impfungen geführt haben, andererseits aber ist es zu Ausscheidung von Impfvirus in Flüsse und Seen gekommen, sodass man in großen Teilen von Afrika wild gewordenes Impfvirus als neue Gefahr für die Gesundheit hat.
Eine letzte Geschichte über Polioimpfung muss noch erzählt werden. Man hat in Deutschland sehr lange die Schluckimpfung gegen Polio benutzt, und zwar weil sie hochwirksam ist, also fast allen Geimpften eine sehr hohe Immunität sichert. Nun ist es aber so, dass wenn man jedes Jahr Millionen von Kindern impft, dann sind immer ein paar sehr seltene Exemplare dazwischen. Nicht nur gibt es Kinder mit zwei verschieden farbige Augen, es gibt auch eins mit 3 Nieren oder mit 6 Fingern auf einer Hand und so weiter. Es gibt natürlich auch welche, deren Immunsystem irgendwie anders arbeitet als bei der Mehrzahl. Und einige von ihnen werden mit dem lebendigen Schluckimpfungsvirus nicht fertig. Sie werden geimpft, das Virus breitet sich im Körper aus und verursacht eine regelrechte Kinderlähmung. Das Kind kann dann sterben oder lebenslang behindert werden. Das ist ein Preis, den man in Kauf genommen hat. Millionen retten und dafür einen einzelnen schädigen, das ist volkswirtschaftlich gesehen sinnvoll, aber für den einen Betroffenen natürlich traurig. In all den Jahren, wo ständig neue Leute Kinderlähmung bekamen und mit ihren Krückstöcken durch die Gegend humpelten und für jeden ein abschreckendes Beispiel darstellten, in all den Jahren, wo jeder irgend jemanden kannte, in dessen Familie jemand Kinderlähmung bekommen hatte (in meiner Familie war es die Kusine meiner Tante Elisabeth...), in den Jahren gab es gar keine Diskussion, dass man die Impfung schluckte. In späteren Jahren aber, als die ganzen Betroffenen tot waren und niemand sich daran erinnern konnte, dass überhaupt jemand jemals Kinderlähmung gehabt hatte, da war die psychologische Situation natürlich eine andere. Man sah nicht mehr ein, dass man jedes Jahr einige Kinder schädigen sollte, wenn man andererseits niemand mehr gerettet hatte. Und da ist man auf den Totimpfstoff umgestiegen. Das ist die Lage, die wir heute haben. Was kann man daraus lernen? Es kommen immer neue Krankheiten hinzu. Gegen einige von ihnen kann man impfen, gegen andere nicht. Aber es kommen auch ständig neue Impfungen hinzu. Krankheiten, die demnächst in Deutschland auftreten werden, falls die Klimaerwärmung voranschreitet, sind zum Beispiel Westnil-Fieber, Dengue und Chikungunya. Aber das ist längst nicht alles, da kommen noch mehr hinzu. Und es wird dem entsprechend von der Pharmaindustrie auf neue Impfstoffe gegen diese Krankheiten gearbeitet. Alles, was man an Problemen bei den alten Impfstoffen gehabt hat, wird man bei neuen Impfstoffen auch haben, die Geschichte wird sich immer wiederholen. Es ist deshalb klug, sich mit den Geschichten der alten Impfungen auseinanderzusetzen und mit verschiedenen Gesichtspunkten der Immunität im allgemeinen.
Eine besondere Geschichte gibt es auch zum Impfstoff gegen Gürtelrose. Vor einigen Jahren kam ein sehr guter Impfstoff auf den Markt namens Zostavax. Das war ein Lebendimpfstoff. Eigentlich ist es nur eine konzentrierte und hoch dosierte Form des Windpockenimpfstoffs. Das wollte man den alten geben, um sie vor Gürtelrose zu schützen. Das Problem war aber, dass gerade die Menschen, die besonders gefährdet waren, weil sie aufgrund von Alter, Krankheit und Schwäche besonders leicht Gürtelrose bekommen konnten, gerade die durften wir nicht mit einem Lebendimpfstoff impfen. Impfen durften wir sozusagen nur die, die es nicht brauchten. Kein Wunder, dass die Krankenkassen sich geweigert haben, das zu bezahlen. Seit ein paar Jahren haben wir dafür einen Totimpfstoff namens Shingrix, der zweimal gegeben werden muss. Mit dem kann man jeden impfen, und damit ist wohl bald Schluss mit dem ganzen Problem der Gürtelrose. Diesmal zahlt es die Krankenkassen.
Und jetzt die letzte Frage: Ist der Covid-19 Impfstoff tot oder lebendig? Nun, die mRNA-Impfstoffe sind auf jeden Fall tot. Sie sind ein Molekül mit Anweisungen für die Zelle, die die Zelle dazu veranlasst, Virusprotein herzustellen. Sobald die Zelle das gemacht hat, wird das mRNA vernichtet und ist weg. Diese Impfstoffe sind nicht lebendig, sie sind so tot wie eine Zahnpasta oder ein Liter Benzin. Was nun aber mit den Vektor-Impfstoffen von AstraZeneca und von Johnson & Johnson? Hier sitzen die entsprechenden Anweisungen in einem Virus, das grundsätzlich lebendig ist, sich aber nicht vermehren kann. In diesem Fall hält man es für tot. (Das ist wohl eine Definitionssache. Auch Leute, die keine Kinder bekommen, leben ja immer noch selber.) Patienten, die damit geimpft worden sind, haben ganz klar das Gefühl, dass das Impfvirus schon eine Zeit lang im Körper gelebt hat.
Was heißt das nun für Schwangere: Ja, so lala heißt es: Wer schwanger ist, sollte sich nicht impfen lassen (das Virus ist vielleicht doch ein bisschen lebendig?). Wer schwanger ist und sich dennoch impfen lässt (wusste nicht, dass sie schwanger ist, zum Beispiel), soll die Schwangerschaft aber nicht deswegen abbrechen (das Virus ist vielleicht doch tot?). Wir wundern uns nicht. Wir sind schwammigen Antworten von Behörden gewohnt. Auf jeden Fall gibt es nicht so starke Bedenken gegen Covid-19-Impfungen, die es normalerweise gegen Lebendimpfstoffe gibt. Insofern dürfen wir sie bis auf weiteres alle Covid-19-Impfstoffe als tot betrachten.