Immunität

Dieses ist eine lose Zusammenstellung von Gesprächen, die in den letzten 10 Jahren in meiner Praxis geführt worden sind - aus den verschiedensten Anlässen. Irgendwie kommen wir immer dazu, über die gleichen Dinge zu sprechen. Mit den Jahren gewinnen die Gespräche dann mehr und mehr eine feste Form, sodass man sie eigentlich auch gleich aufschreiben kann. Genau das mache ich dann jetzt.

Dauer der Immunität

Man nimmt allgemein an, dass man nach der Vollendung einer vorgeschriebenen Impfserie, die aus 1, 2, 3 oder einer anderen Anzahl von Impfungen schlagartig immun gegen die geimpfte Krankheit ist. Die Firma, die die Impfung herstellt, oder die STIKO sagen uns dann, wie lange die Immunität dauert. Bei der Tetanusimpfung ist es bekanntlich so, dass sie alle 10 Jahre aufgefrischt werden soll. Es gehört zu den Aufgaben des Hausarztes, alle Menschen daran zu erinnern, den Impfpass zu suchen und immer dafür zu sorgen, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht und was die Krankenkassen bezahlen.

Nun kommt immer wieder die Frage auf, was nun passiert, wenn die Impfung mehr als 10 Jahre zurückliegt, zum Beispiel 12 Jahre. Muss man dann alles von vorn anfangen? Ist man jetzt völlig ungeschützt? Vielleicht ist es ja so, dass die Immunität unmittelbar nach der letzten Impfung vollständig sei, und genau 10 Jahre anhält, dann aber am ersten Tag des 11. Jahres schlagartig weg sei. In diesem Fall darf man auf der Hut sein. Dann wäre man in der Tat ungeschützt und könnte von vorn anfangen. So ist es allerdings nicht. Je längere Zeit vergeht, desto mehr nimmt die Immunität ab (nimmt man meistens an), sodass die Immunität irgendwann, wenn man lange genug wartet, kaum mehr vorhanden ist. Ganz verschwindet die Immunität allerdings nie. Der Körper vergisst die Impfung nie. Sobald man auch nur eine Auffrischimpfung erhält, ist alles wieder beim alten.

Und wie häufig soll man das nun machen? Die Zahl 10 Jahre ist ja fast zu rund und schön um wahr zu sein. Aber sicher ist sie zu schön. Man hätte genau so gut 9 Jahre oder 13 Jahre hinschreiben können, oder 8 Jahre, 3 Monate und 4 Tage meinertwegen. Die 10 Jahre bedeuten nichts anderes als dass alle Menschen hin und wieder ihre Impfungen auffrischen sollen. Und dass die Kassen es dann alle 10 Jahre bezahlen, damit es irgendeine leicht umsetzbare Regel gibt.

Für gewisse andere Impfungen gibt es andere Intervalle. Das kann für FSME 5 Jahre sein oder für Typhus 3 Jahre oder irgend eine andere Zeit.

Es kommen auch ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinzu. Früher galt die Gelbfieberimpfung 10 Jahre. Wenn man im Zoll aus einem Gelbfieberland eingereist war, und die Impfung mehr als 10 Jahre zurücklag, dann gab es Quarantäne oder Einreiseverbot. Heute hat man festgelegt, dass eine einzige Impfung lebenslang gilt. Das gilt so lange, bis man sich für etwas anderes entscheidet. Bisher hat man damit gerechnet, dass die Immunität nach Impfung gegen Hepatitis A 10 Jahre dauert. Nach neueren Untersuchungen dauert sie vielleicht 25 Jahre oder noch mehr.

Ob man dann trotz abnehmender Immunität im Laufe der Jahre nun tatsächlich impfen soll oder nicht, ist auch Gegenstand für Diskussionen in den Behörden. In Nordrhein-Westfalen gilt: Wer dreimal gegen Polio geimpft worden ist, kann keine Polio mehr bekommen und braucht deswegen auch nicht mehr seine Impfung auffrischen zu lassen. Es sei denn, er reist nach Indien. Dann kann er auf einmal plötzlich nun doch Polio bekommen und muss geimpft werden. Was jetzt? Ist er nun immun oder nicht? Naja, es ist eben ein Kompromiss. Solange man in einem Niedrig-Risiko-Land ist, hält man es nicht für nötig, eine schwache Immunität zu stärken, in einem Hochrisikoland aber schon.

Antikörper und Schutzwirkung

Man teilt das Immunsystem grob im Humoralen Immunantwort und im Zellulären Immunantwort. Die humorale Antwort hat mit Antikörpern zu tun. Dieses ist irgendwie allgemein bekannt, und so möchten immer wieder Besucher der Praxis Antikörper gegen irgend etwas gemessen haben - sei es Masern, Röteln, Coronavirus oder sonst was.

Anscheinend glaubt man, dass wenn man Antikörper hat, dann ist man immun - zumindest wenn man mindestens so und so viele Einheiten pro Liter hat. Wenn man weniger hat, oder gar keine, dann ist man nicht immun.

Aber auch das stimmt nicht ganz. Es gibt viele ähnliche Artikel über fehlende Antikörper, hier ist zum Beispiel ein kurzer. In diesem Artikel geht es unter anderem um Leute, die vor ewigen Zeiten mal gegen Hepatitis B geimpft worden sind, aber inzwischen entweder überhaupt keine Antikörper mehr gegen Hepatitis B haben, oder nur so wenige, dass sie als nicht mehr immun gelten. So, einige von ihnen leben mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen, der oder die Hepatitis B hat und große Mengen Virus ausscheiden, dass eben diese Menschen auch selber aufgrund von ständig neuer Ansteckung Hepatitisvirus im Blut haben, aber eben sehr wenig. Und vor allen Dingen, sie werden nicht krank. Die Impfung schützt also doch. In dem Artikel geht es ebenfalls darum, dass wenn man sie dann impft, dann reagieren die, die bereits viele Antikörper haben, mächtig gut auf die Auffrischimpfung. Aber die anderen eben auch. Was uns also zeigt, dass der Körper die uralte Impfung nicht vergisst.

Die lang anhaltende Immunität sitzt nicht (nur) in den messbaren Antikörpern, sondern vor allem in den Gedächtniszellen, die man nicht messen kann.

Welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus: Alle, die im medizinischen Bereich arbeiten, müssen eine gewisse Menge Antikörper gegen Hepatitis B haben. Wenn sie darunter liegen werden sie wieder und wieder geimpft (ich habe auf Anweisung eines Betriebsarztes sogar eine Patientin 6-mal impfen müssen, die letzten Male mit der doppelten Dosis). Ist diese Schlussfolgerung richtig?

Ausmaß der Schutzwirkung

Auch hier haben wir es mit der allgemeinen Auffassung zu tun: Wenn ich gegen Virus XY geimpft bin, dann kann ich es nicht mehr bekommen. Ja, schön wäre es. Aber so funktionieren die Dinge eben nicht. Wie wir oben gesehen haben, der Mann mit der hepatitiskranken und hoch ansteckenden Frau hat selbst Hepatitisvirus im Blut, aber eben nur sehr wenig, und er wird nicht krank.

Ganz anders funktioniert das, wie wir so eindrucksvoll in der Coronavirus-Pandemie gesehen haben. Es war zum Anfang der Impfungen die Rede davon, dass die Leute wohl mit Vaxzevria, dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft wurden, dass diese Impfung aber nur eine 60%ige Schutzwirkung oder so zeigte. Soll heißen, bringt nicht viel. Die Engländer haben aber trotzdem voller Vertrauen zu ihrer Impfung fröhlich darauf losgeimpft, junge, alte, dicke, dünne, Männer, Frauen, Engländer und Ausländer. Und als man aus Deutschland etwas skeptisch nachgefragt hat, warum sie denn alle so begeistert von diesem Impfstoff seien, wenn die Impfung sowieso keine ordentliche Schutzwirkung hat, hieß es gleich: Jaja, aber von den Geimpften musste noch keiner beatmet werden. Sie kriegen vielleicht einen Schnupfen, oder Kopfschmerzen, aber sie müssen nicht auf die Intensivstation. Und plötzlich hieß es in Deutschland: Wenn das so ist, dann impfen wir mal alle damit. Das heißt: Die Impfung schützt nicht unbedingt gegen die Infektion, gegen den Tod aber schon. (Inzwischen gibt es mit dem Impfstoff andere Probleme, aber das ist eine andere Geschichte.)

Vor kurzem kam dann noch ein Artikel in einem der medizinischen Fachzeitschriften. Ich habe jetzt keinen Link dazu gesetzt, weil ich das nicht wirklich so wichtig finde. Aber bereits nach kurzer Zeit in der Pandemie stand fest, dass Patienten mit Vitamin-D-Mangel eine 19-fach höhere Sterblichkeit an Coronavirus hatten im Vergleich zu denen, die keinen Mangel haben. Doch was dieser neue Artikel jetzt auf einmal triumphierend feststellte: Eine neuere statistische Untersuchung hat ergeben, dass Menschen unabhängig vom Vitamin D Spiegel gleich häufig mit Coronavirus infiziert werden. Soll heißen: Höhö, alle ihr Vitamin-D-Fanatiker (von denen ich ja auch einer bin), da sieht ihr, Vitamin D schützt dann doch nicht! Ja, es hat ja auch keiner was anderes gesagt. Sie bekommen alle das Virus, ob sie viel oder wenig Vitamin D im Blut haben. Nur der, der genug Vitamin D hat, bekommt vielleicht einen Schnupfen, der einen Mangel hat muss vielleicht gleich ins Krankenhaus. Es geht nicht um eine absolute Schutzwirkung, nur um eine gewisse Milderung des Verlaufs.

Immunität nach Krankheit

Wenn ich einmal eine Krankheit gehabt habe, dann bin ich lebenslang immun. Ja, schön wäre es, wenn alles so nach dem Bilderbuch laufen würde. Wenn man als Arzt gesehen hat, wie die Leute zweimal Windpocken, zweimal Mumps oder zweimal Röteln bekommen haben, dann glaubt man schon lange nicht mehr an solche schwarz-weiß-Darstellungen. (Ich habe übrigens noch keinen gesehen, der zweimal Masern hatte.)

Die Krankheiten hinterlassen mehr oder weniger Immunität, die mehr oder weniger nützlich sein kann. Der klassische Fall der Immunität gegen Windpocken, die man in der Kindheit erfolgreich überstanden hat, ist allgemein bekannt. In der Regel gilt tatsächlich, dass man lebenslang immun ist, und nicht mehr Windpocken bekommt. Das Virus versteckt sich aber irgendwo im Körper, und wenn man älter wird, braucht es nur eine fieberhafte Erkrankung, ein paar schlaflose Nächte, eine Impfung gegen irgendwas, oder etwas Stress - und schon springt das Virus wieder heraus und verursacht Gürtelrose. Die Richtlinien für Hausärzte sagen, dass bei allen, die über 60 Jahre alt sind, soll man ihnen empfehlen, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen. Und schon hört man: Das brauche ich nicht, Gürtelrose habe ich schon gehabt. Und genau da steckt das Problem. Auch wenn man 10-mal Gürtelrose gehabt hat, wird man kein bisschen mehr immun dagegen. Das kann man noch zum 11. Mal bekommen. Hier ist wirklich ein klassischer Fall, der uns zeigt, dass die medizinische Wissenschaft etwas regeln kann, was die Natur nicht hinbekommt. Denn nach der Impfung ist die Schutzwirkung wirklich gut. Moderne Kinder sind alle gegen Windpocken geimpft. Wenn sie alt werden, bekommen sie keine Gürtelrose mehr, schön für sie.

Von solchen Geschichten gibt es aber noch mehr. Als ich seinerzeit Militärarzt war, im Auslandseinsatz bei den Blauhelmen, musste ich mich auch um die Soldaten kümmern, die sich Kondylomen zugezogen hatten. Das war in der Zeit, vor HIV und bevor die Benutzung von Kondomen gebräuchlich wurde. Diese Kondylome musste man regelmäßig mit Podophyllotoxin pinseln, mal schrumpften die Warzen, mal kamen sie wieder, mal führte das Medikament zu Verätzungen, was für ein Theater. Das interessante ist, dass die Kondylome mehr oder weniger keine Immunität hinterlassen. Es ist öfters vorgekommen, dass bei einem Patienten, den man mit allem Pinseln und Schnibbeln nicht heilen konnte, man ihn mit HPV-Impfstoff geimpft hat, und schon verschwanden die Kondylome wie Tau vor der Sonne. Noch ein Beispiel dafür, dass die Schulmedizin besser ist als die Natur. Grüße an die Waldorfschulen.

In der Praxis hatten wir Mitte 2020 eine junge Patientin, die über Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn klagte. Wie man weiß, ist das ein typisches Symptom auf Infektion mit Covid-19. Also wurden Tests gemacht, die aber negativ ausfielen. Untersuchung beim Hals-Nasen-Ohrenarzt und beim Neurologen brachten nichts. Also musste sie damit leben, dass alles nach Pappe schmeckte, weil niemand etwas dagegen unternehmen konnte. Nun arbeitet sie allerdings in einem Pflegeheim und gehörte deshalb zu den ersten, die mit dem AstraZeneca Impfstoff geimpft wurden. Kurz danach berichtete sie, dass sie auf einmal Geruch und Geschmack wiederbekommen hatte. Was schließen wir daraus? Sie wird einen leichten Verlauf an Covid-19 gehabt haben, ohne dass jemand das beweisen konnte, und der neurologische Begleitschaden, den dieses Virus gelegentlich verursacht, hat sie nicht mit eigenen Kräften überwinden können. Nach der Impfung aber schon.

Es geht nicht darum, auf die Impfgegner herumzuhacken. Wenn sie keine Impfungen wollen, ist das deren Sache. Aber auch mein Gesichtspunkt, dass man mit Impfungen oft Erstaunliches erreichen kann, soll mal erwähnt werden.

Lebende und tote Impfstoffe

Die erste Impfung der Welt, die ja von Edward Jenner erfunden wurde, war eine Lebendimpfung. Das ist ein abgeschwächtes Virus, das sein Glück im Menschen versucht, aber schnell den kürzeren zieht und keine andere Dauerwirkung hinterlässt als dass der Mensch immun dagegen wird und damit auch immun gegen das wirklich gefährliche Virus wird.

Abgeschwächte Viren sind etwas schönes. Das Poliovirus kann man in Zellkulturen züchten und direkt auf einem Stück Zucker zum Schlucken geben. Auch gegen Masern, Mumps und Röteln wird mit Lebendimpfstoffen geimpft. Um eine Impfung mit einem Lebendimpfstoff zu überstehen braucht man ein funktionierendes Immunsystem. Hat das Immunsystem irgendwelche angeborene Schwächen oder Besonderheiten, oder ist man geschwächt, weil man krank ist, Kortison, Chemotherapie oder irgend anderes Schwächendes hat, dann ist das Virus vielleicht starker als der Mensch und gewinnt die Oberhand. Lebendimpfstoffe sind etwas für Gesunde.

Lebendimpfstoff ist nichts für Schwangere, weil das ungeborene Kind es auch bekommt, und sich dagegen nicht wehren kann. Man kann Schwangere aber mit einem Totimpfstoff impfen.

Eine Besondere Geschichte gibt es zum alten Impfstoff gegen Polio. Da dieser nicht gespritzt werden muss, sondern geschluckt wird, entwickelt sich das Virus im Darm und wird auch mit dem Darm ausgeschieden. Wer also eine Schluckimpfung bekommen hat, und danach in einem schwedischen See baden geht, kann das Badewasser mit Impfvirus verunreinigen. Wenn der nächste Schwimmer vorbeikommt und das verunreinigte Wasser schluckt, dann wird er damit infiziert. Toll, könnte man sagen, da kann man gleich die ganzen Badegäste kostenlos impfen. Das Problem ist, dass die Art und Weise wie man das Virus abgeschwächt hat, ist, dass das Virus so lange in Zellkulturen gelebt hat, bis es vergessen hat, wie man Menschen krank macht. Wenn das gleiche Virus jetzt mehrmals vom einen Mensch zum anderen weitergegeben wird, dann bekommt es langsam wieder seine alten bösen Eigenschaften wieder, es wird renaturiert. Deshalb hat man in Schweden immer gegen Polio mit Totimpfstoff geimpft, weil Schweden ein Felsenland ist, es besteht komplett aus Stein. Sie trinken Oberflächenwasser aus den Seen. In Dänemark aber, wo ich her komme, haben wir immer mit Lebendimpfstoff geimpft, weil Dänemark ein altes Korallenriff ist, das porös ist, sodass wir Brunnenwasser trinken können. Außerdem haben wir keine Seen, sondern nur Meer. Ein ähnliches Problem gibt es in Afrika. Polio war ja bis vor ein paar Jahre so gut wie ausgerottet, selbst im letzten Dorf in Afrika. Aber einerseits hat es viele Bürgerkriege gegeben, die zu Störung der Impfungen geführt haben, andererseits aber ist es zu Ausscheidung von Impfvirus in Flüsse und Seen gekommen, sodass man in großen Teilen von Afrika wild gewordenes Impfvirus als neue Gefahr für die Gesundheit hat.

Eine letzte Geschichte über Polioimpfung muss noch erzählt werden. Man hat in Deutschland sehr lange die Schluckimpfung gegen Polio benutzt, und zwar weil sie hochwirksam ist, also fast allen Geimpften eine sehr hohe Immunität sichert. Nun ist es aber so, dass wenn man jedes Jahr Millionen von Kindern impft, dann sind immer ein paar sehr seltene Exemplare dazwischen. Nicht nur gibt es Kinder mit zwei verschieden farbige Augen, es gibt auch eins mit 3 Nieren oder mit 6 Fingern auf einer Hand und so weiter. Es gibt natürlich auch welche, deren Immunsystem irgendwie anders arbeitet als bei der Mehrzahl. Und einige von ihnen werden mit dem lebendigen Schluckimpfungsvirus nicht fertig. Sie werden geimpft, das Virus breitet sich im Körper aus und verursacht eine regelrechte Kinderlähmung. Das Kind kann dann sterben oder lebenslang behindert werden. Das ist ein Preis, den man in Kauf genommen hat. Millionen retten und dafür einen einzelnen schädigen, das ist volkswirtschaftlich gesehen sinnvoll, aber für den einen Betroffenen natürlich traurig. In all den Jahren, wo ständig neue Leute Kinderlähmung bekamen und mit ihren Krückstöcken durch die Gegend humpelten und für jeden ein abschreckendes Beispiel darstellten, in all den Jahren, wo jeder irgend jemanden kannte, in dessen Familie jemand Kinderlähmung bekommen hatte (in meiner Familie war es die Kusine meiner Tante Elisabeth...), in den Jahren gab es gar keine Diskussion, dass man die Impfung schluckte. In späteren Jahren aber, als die ganzen Betroffenen tot waren und niemand sich daran erinnern konnte, dass überhaupt jemand jemals Kinderlähmung gehabt hatte, da war die psychologische Situation natürlich eine andere. Man sah nicht mehr ein, dass man jedes Jahr einige Kinder schädigen sollte, wenn man andererseits niemand mehr gerettet hatte. Und da ist man auf den Totimpfstoff umgestiegen. Das ist die Lage, die wir heute haben. Was kann man daraus lernen? Es kommen immer neue Krankheiten hinzu. Gegen einige von ihnen kann man impfen, gegen andere nicht. Aber es kommen auch ständig neue Impfungen hinzu. Krankheiten, die demnächst in Deutschland auftreten werden, falls die Klimaerwärmung voranschreitet, sind zum Beispiel Westnil-Fieber, Dengue und Chikungunya. Aber das ist längst nicht alles, da kommen noch mehr hinzu. Und es wird dem entsprechend von der Pharmaindustrie auf neue Impfstoffe gegen diese Krankheiten gearbeitet. Alles, was man an Problemen bei den alten Impfstoffen gehabt hat, wird man bei neuen Impfstoffen auch haben, die Geschichte wird sich immer wiederholen. Es ist deshalb klug, sich mit den Geschichten der alten Impfungen auseinanderzusetzen und mit verschiedenen Gesichtspunkten der Immunität im allgemeinen.

Eine besondere Geschichte gibt es auch zum Impfstoff gegen Gürtelrose. Vor einigen Jahren kam ein sehr guter Impfstoff auf den Markt namens Zostavax. Das war ein Lebendimpfstoff. Eigentlich ist es nur eine konzentrierte und hoch dosierte Form des Windpockenimpfstoffs. Das wollte man den alten geben, um sie vor Gürtelrose zu schützen. Das Problem war aber, dass gerade die Menschen, die besonders gefährdet waren, weil sie aufgrund von Alter, Krankheit und Schwäche besonders leicht Gürtelrose bekommen konnten, gerade die durften wir nicht mit einem Lebendimpfstoff impfen. Impfen durften wir sozusagen nur die, die es nicht brauchten. Kein Wunder, dass die Krankenkassen sich geweigert haben, das zu bezahlen. Seit ein paar Jahren haben wir dafür einen Totimpfstoff namens Shingrix, der zweimal gegeben werden muss. Mit dem kann man jeden impfen, und damit ist wohl bald Schluss mit dem ganzen Problem der Gürtelrose. Diesmal zahlt es die Krankenkassen.

Und jetzt die letzte Frage: Ist der Covid-19 Impfstoff tot oder lebendig? Nun, die mRNA-Impfstoffe sind auf jeden Fall tot. Sie sind ein Molekül mit Anweisungen für die Zelle, die die Zelle dazu veranlasst, Virusprotein herzustellen. Sobald die Zelle das gemacht hat, wird das mRNA vernichtet und ist weg. Diese Impfstoffe sind nicht lebendig, sie sind so tot wie eine Zahnpasta oder ein Liter Benzin. Was nun aber mit den Vektor-Impfstoffen von AstraZeneca und von Johnson & Johnson? Hier sitzen die entsprechenden Anweisungen in einem Virus, das grundsätzlich lebendig ist, sich aber nicht vermehren kann. In diesem Fall hält man es für tot. (Das ist wohl eine Definitionssache. Auch Leute, die keine Kinder bekommen, leben ja immer noch selber.) Patienten, die damit geimpft worden sind, haben ganz klar das Gefühl, dass das Impfvirus schon eine Zeit lang im Körper gelebt hat.

Was heißt das nun für Schwangere: Ja, so lala heißt es: Wer schwanger ist, sollte sich nicht impfen lassen (das Virus ist vielleicht doch ein bisschen lebendig?). Wer schwanger ist und sich dennoch impfen lässt (wusste nicht, dass sie schwanger ist, zum Beispiel), soll die Schwangerschaft aber nicht deswegen abbrechen (das Virus ist vielleicht doch tot?). Wir wundern uns nicht. Wir sind schwammigen Antworten von Behörden gewohnt. Auf jeden Fall gibt es nicht so starke Bedenken gegen Covid-19-Impfungen, die es normalerweise gegen Lebendimpfstoffe gibt. Insofern dürfen wir sie bis auf weiteres alle Covid-19-Impfstoffe als tot betrachten.